EN

Glossarbeitrag

Was ist Systemisches Coaching?

Systemisches Coaching ist eine prozessorientierte, lösungs- und ressourcenfokussierte Begleitung von Einzelpersonen, Teams und Organisationen. Es basiert fachlich u. a. auf Systemtheorie, Konstruktivismus und Kybernetik zweiter Ordnung: Wirklichkeit wird als sozial konstruiert verstanden; der Coach arbeitet nicht als Fachratgeber, sondern gestaltet den Dialog- und Reflexionsprozess, in dem Klient:innen eigene Lösungen entwickeln.

 

Praktische Relevanz  

- Wirksam in komplexen Kontexten: Betrachtet Wechselwirkungen (Mensch–Team–Organisation) statt lineare Ursachen. 

- Selbstorganisation & Ownership: Coachees erhöhen Handlungsfähigkeit, Teams verbessern Zusammenarbeit und Entscheidungsfähigkeit. 

- Klarheit & Fokus: Auftrags- und Zielklärung schaffen Prioritäten und reduzieren Missverständnisse. 

- Kultur & Kommunikation: Fördert Feedbackfähigkeit, psychologische Sicherheit und tragfähige Beziehungen. 

- Professionalisierung: Anerkannte Standards (z. B. ICF, DBVC) sichern methodische Qualität und Ethik. 

- Wissenschaftliche Fundierung: Wirkungsnachweise, u. a. durch das DBVC-Wirkungsmonitoring, zeigen Verbesserungen bei Reflexionsfähigkeit, Konfliktlösung und Entscheidungsqualität. 

 

Praktische Beispiele 

- Führung im Wandel: Ein Bereichsleiter steckt zwischen Kostendruck und Innovationsauftrag. Über zirkuläre Fragen werden Perspektiven sichtbar, es entsteht ein Stakeholder-Mapping mit klaren Kommunikationskontrakten. 
Wirkung: Konflikte deeskalieren, Entscheidungen beschleunigen sich, Vertrauen steigt. 

- Team mit Schnittstellenkonflikten: Silos blockieren End-to-End-Flow. Mit Ausnahmeforschung erarbeitet das Team ein neues Working Agreement mit Pull-Prinzip. 
Wirkung: Weniger Übergabereibung, kürzere Durchlaufzeiten. 

- Rolle Product Owner: Zwischen Fachbereich und IT zerreibt sich der/die PO. Über Rollenklärung und Auftragsdreieck entsteht eine abgestimmte Priorisierungslogik. 
Wirkung: Erwartungsmanagement verbessert sich, Wertströme werden konsistenter gesteuert. 

 

 

Umsetzung in der Praxis 

- Kontrakt & Rahmen klären: Ziel, Nutzen, Auftraggeber, Vertraulichkeit, Messkriterien. Haltung: allparteilich, co-kreativ, respektvoll. 

- Hypothesenarbeit: Muster erkennen, Arbeits-Hypothesen bilden, nicht Diagnosen „über Personen“ stellen. 

- Methoden: 

- Fragetechniken: zirkulär, skalierend, Ausnahme-/Miracle-Fragen 

- Stakeholder-Mapping & Entscheidungsarchitektur 

- Rollen- & Auftragsklärung 

- Interventionen auf Personen-, Team- und Organisationsebene 

- Ablauf: Intake → Kontrakt → Hypothesenbildung → Sessions (3–8 Termine) → Zwischenevaluationen → Abschluss & Transfer. 

- Ethik & Qualität: Supervision, Intervision, Abgrenzung zur Psychotherapie, Einhaltung von Berufsstandards. 

  

 

Besonderheiten 

- -Perspektive: Der Coach reflektiert die eigene Beteiligung am System. 

- Konstruktivismus: Fokus auf Bedeutungen, nicht „objektive Wahrheit“. 

- Lösungsfokus: Arbeiten mit Ressourcen und Ausnahmen, statt Problemvertiefung. 

- Experimentell: Kleine Interventionen, schnelle Feedbackschleifen, direkte Transferarbeit. 

 

Wirkungen in Organisationen 

- Verbesserte Entscheidungsqualität: Mehrperspektivische Betrachtung reduziert blinde Flecken. 
Abgrenzung: Klassisches Business-Coaching fokussiert stärker auf das Individuum. 

- Nachhaltige Veränderung: Arbeit an Mustern statt Symptomen verhindert Strohfeuer. 
Abgrenzung: Mentoring/Training liefern Lösungen, systemisches Coaching aktiviert die Eigenlösungskraft. 

- Stärkung von Selbstorganisation: Teams lernen, Verantwortung eigenständig zu tragen. 
Abgrenzung: Personenzentriertes Coaching fokussiert stärker auf Einzelleistungen. 

- Förderung von Innovation & Lernen: Zirkuläre Fragen und Experimente fördern neue Denkansätze. 
Abgrenzung: Trainings geben Tools; systemisches Coaching verändert Haltungen und Muster. 

- Resilienz in unsicheren Umfeldern: Mustererkennung und Regeländerungen machen Organisationen anpassungsfähiger. 
Abgrenzung: Klassische Beratung setzt stärker auf Best Practices. 

- Bessere Zusammenarbeit & Kultur: Kommunikation wird konstruktiver, psychologische Sicherheit steigt. 
Abgrenzung: Klassisches Coaching stärkt die individuelle Kommunikation, systemisches Coaching verbessert die Muster im System. 

  

 

Anti-Patterns 

- Ratgeber-Modus: Der Coach liefert Lösungen statt Prozessbegleitung – das System übernimmt keine Verantwortung. 

- Grenzverletzungen zur Therapie: Bearbeitung klinischer Themen ohne Qualifikation oder Setting ist ethisch riskant. Systemisches Coaching grenzt sich klar von Psychotherapie ab und verweist bei Bedarf weiter. 

- Tool-Magie: Methoden ohne Kontrakt oder Ziel. 

- Esoterisierung: Unpräzise Modebegriffe, fehlende Evidenz. 

- Fehlende Qualitätssicherung: Kein Bezug zu Standards (z. B. DBVC, ICF), keine Supervision. 

  

CALADE-Sichtweise 

Systemisches Coaching ist für CALADE eine professionelle Haltung, kein Toolkasten. Wir verbinden lösungsfokussierte Methoden (z. B. zirkuläre Fragen, Ausnahmeforschung) mit organisationalen Hebeln (z. B. Entscheidungsarchitektur, Schnittstellenarbeit). So entsteht Veränderung nicht nur auf individueller Ebene, sondern im gesamten sozialen System. 

 

 

Verwandte Begriffe 

- Lösungsfokussiertes Arbeiten (SFBT) 

- Prozessberatung 

- Organisationsentwicklung 

- Supervision/Intervision 

- Coaching-Standards (ICF, DBVC) 

← zurück zur Übersicht