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Glossarbeitrag

Was ist ein Inkrement (Produktinkrement)?

Ein Increment (Produktinkrement) ist das in sich nutzbare, integrierte Arbeitsergebnis einer Iteration, das auf allen bisherigen Inkrementen aufbaut. Es umfasst die Summe aller seit Produktbeginn „fertigen“ (Definition of Done) Product-Backlog-Einträge und befindet sich in einem potenziell auslieferbaren Zustand. 

In Scrum entsteht mindestens ein Increment pro Sprint. In SAFe entstehen Team-Inkremente pro Iteration; auf ART-Ebene ergibt die Integration dieser Team-Inkremente das System-Inkrement. Über ein Program Increment (PI) hinweg (typisch 8–12 Wochen) liefert ein ART inkrementellen Wert in Form funktionierender Software oder Systeme; sichtbar u. a. in System Demos und beim Inspect & Adapt. 

  

Praktische Relevanz 

- Wertfokus: Jedes Increment schafft konkreten Kundennutzen und reduziert „Big-Bang-Risiken“. 

- Qualität eingebaut: Die konsequente Definition of Done erzwingt integrierte, getestete, dokumentierte Ergebnisse – keine Restarbeiten. 

- Schnelles Lernen: Regelmäßige Nutzertests ermöglichen frühes Feedback und Kurskorrekturen. 

- Transparenz & Steuerbarkeit: Inkremente sind harte Inspektionspunkte für Fortschritt, Risiko und Wirtschaftlichkeit. 

- Skalierbarkeit: In SAFe synchronisiert die Kadenz Teams und minimiert Integrationsüberraschungen. 

 

 

Praktische Beispiele 

Scrum – Digitales Kundenportal 
Ein Energieversorger erneuert sein Portal. Alle zwei Wochen entsteht ein Increment mit echtem Kundennutzen. 
Artefakt: Team-DoD mit Testabdeckung ≥ 80 %, E2E-Tests grün, Security-Scan ohne kritische Findings, Release Notes gepflegt. 

SAFe/ART – Eingebettetes System 
Ein ART mit sechs Teams integriert alle zwei Wochen am Prüfstand. 
Artefakt: ART-Checkliste mit Safety-Suite grün, Telemetrie aktiv, Recovery-Pfad getestet. 

SAFe – Plattform & Produkt 
Plattform-ART liefert APIs, Produkt-ART integriert Workflows. 
Artefakt: Contract-Test-Skeleton mit OpenAPI-Spezifikation. 

Regulierte Domäne 
Compliance-Artefakte werden pro Increment integriert. 
Artefakt: Aktualisierte DPIA, Audit-Trail-Events, IAM-Berechtigungen, Security-Testreports. 

Transformation Increment (TI) 
Quartalsweise Transformation mit klaren Outcomes. 
Artefakt: TI-Review-Board mit Zielen, Baseline, Ergebnissen und Next Actions. 

Hardware-nahe Entwicklung (Automotive/MedTech/Industrie) 
Auch Hardware-Teams liefern in Iterationen Inkremente – funktionale Prototypen oder Baugruppen, die integriert und getestet werden können. 
Artefakt: Hardware-DoD mit Baugruppe aufgebaut, Schnittstellen geprüft, Belastungstests bestanden, Sicherheitsnachweise erstellt, Daten im PDM-System

Weitere Beispiele: 

- Automotive: Steuergeräte-Prototyp inkl. Firmware alle 3 Wochen; getestet im HiL (Hardware-in-the-Loop). 

- MedTech: Iterative Inkremente eines Diagnostikgeräts, mit ISO-13485-Dokumentation. 

- Industrie/Robotik: Schrittweise funktionsfähige Baugruppen (z. B. Motorsteuerung, Sensorsysteme), die in jeder Iteration integriert werden. 

 

Umsetzung in der Praxis 

- DoD verbindlich: Teams definieren überprüfbare Kriterien, auf ART-Ebene kommen Integration, Compliance und Betriebsfähigkeit hinzu. 

- Vertikale Schnitte: Nur Ende-zu-Ende-Slices schaffen echten Wert. 

- CI/CD: Jeder Commit potenziell releasbar, Automatisierung auch für Hardware-Simulationen und Prüfstände. 

- Systemische Integration: Regelmäßige System Demos verhindern Integrationsstaus. 

- Hardware-Inkremente: Prototyp-Stufen klar definieren („Lab Sample → Proto A → Proto B → Pilotserie“). 

- Operational Readiness: Monitoring, Alerting und Runbooks gehören zur Definition of Done. 

 

 

Anti-Patterns 

- Demo-ware statt DoD: Es werden nur Oberflächen oder Mock-ups gezeigt, ohne Tests, Dokumentation oder Betriebsfähigkeit. Kurzfristig überzeugend, langfristig wertlos. 

- Schichten-Inkremente: Teams liefern „nur Datenbank“ oder „nur Frontend“. Kein Kundennutzen, Integrationsprobleme am Ende. 

- Späte Großintegration: Integration erfolgt erst am PI-Ende. Fehlerlawinen, Zeitdruck und Qualitätsprobleme sind die Folge. 

- DoD schwammig oder verhandelbar: Wenn „fertig“ nicht überprüfbar ist, entstehen technische Schulden. Unterschiedliche DoDs zwischen Teams ohne Abstimmung machen Integration unmöglich. 

- Überladung des Inkrements: Zu viele Stories in ein Increment gepresst → Kontextwechsel, Qualitätsprobleme, Verzögerungen. 

- Keine System Demos: Teams arbeiten isoliert, das integrierte Produkt bleibt zu lange unsichtbar. 

- Fehlende NFRs: Performance, Sicherheit oder Betriebsaspekte sind nicht Teil der DoD → Produkt ist zwar funktional, aber nicht nutzbar oder compliant. 

- Nur Simulation in Hardware-Projekten: Inkremente bestehen aus CAD-Daten oder Mock-ups ohne physische Tests. Risiken bleiben verborgen, reale Integrationsprobleme treten zu spät auf. 

- Fokus auf Output statt Outcome: Teams liefern „fertige Stories“ oder Prototypen, ohne den Geschäftswert oder Nutzbarkeit zu prüfen. 

 

 

CALADE-Sichtweise 

Wir sehen Inkremente als Taktgeber für Wert, Lernen und Qualität – nicht nur in Software, sondern auch in Hardware- und Transformationsprojekten. Mit Transformation Increments (TI) liefern wir vierteljährlich sichtbare Ergebnisse (Policies, Prozesse, Pilotprojekte), machen Fortschritt messbar und schaffen eine adaptive Steuerung. In Hardware-Umgebungen setzen wir auf iteratives Prototyping mit klarer DoD, um Risiken früh sichtbar zu machen und Fachdisziplinen (Mechanik, Elektronik, Software, Compliance) zu verzahnen. 

  

 

Verwandte Begriffe 

- Definition of Done (DoD) – verbindliche Qualitätskriterien 

- System Demo (SAFe) – Demonstration des System-Inkrements 

- Program Increment (PI) – Zeitfenster für inkrementellen Wert 

- Incremental Delivery – Häufige, kleine Releases 

- Enabler (SAFe) – Technische/architektonische Arbeiten für Lieferfähigkeit 

- Non-Functional Requirements (NFRs) – Qualitätsanforderungen 

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