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Glossarbeitrag

Was ist das Beckhard’s Change Model?


Beckhard’s Change Model – auch Change Formula oder Beckhard-Harris-Formel genannt – wurde in den 1970er-Jahren von Richard Beckhard und Reuben T. Harris entwickelt. Es kombiniert zwei Perspektiven:

Change-Formel D × V × F > R

Veränderung gelingt nur, wenn D (Dissatisfaction – Unzufriedenheit mit dem Status quo), V (Vision eines attraktiven Zielbildes) und F (First Steps – konkrete erste Schritte) gemeinsam stärker sind als der Widerstand (R).

Phasenmodell der Veränderung

Jede Transformation verläuft über drei Phasen (vgl. begleitende Grafik):

- Ist-Zustand: vertraut, komfortabel, kontrollierbar, mit klarer Rollenverteilung.

- Übergangszustand: Loslassen alter Routinen, Übernahme von Neuem, begleitet von Emotionen wie Verlust, Unsicherheit, aber auch Aufbruch und Hochgefühl.

- Künftiger Zustand: neue Routinen und Rollen sind etabliert, das Zielbild wird gelebt.

 Das Modell verbindet damit rationale Steuerung (Formel) und psychologische Dynamik (Phasenmodell).

Praktische Relevanz 

Beckhard’s Change Model wirkt auf mehreren Ebenen:

- Strategisch: Es macht sichtbar, ob Unzufriedenheit, Vision und erste Schritte stark genug sind, um echten Wandel auszulösen.

- Strukturell: Die Phasen zeigen, wann Organisationen Strukturen, Prozesse und Rollen anpassen müssen.

- Kulturell: Es adressiert bewusst die emotionale Seite des Übergangs und unterstützt den Aufbau von Vertrauen und Akzeptanz.

- Operativ: Die Formel dient als Steuerungsinstrument, um Engpässe zu erkennen (z. B. fehlende Quick Wins) und den Veränderungsprozess iterativ nachzuschärfen.

Praktische Beispiele 

Digitale Transformation eines Industriekonzerns

D: Marktdaten belegten wachsende digitale Rückstände.

V: Vision „Digital Factory 2028“ mit klaren Kundenvorteilen.

F: Schnell umsetzbare Pilotprojekte und crossfunktionale Teams.

Phasenarbeit: Führung und Teams nutzten die drei Phasen aus der Grafik, um sich regelmäßig zu verorten. Ergebnis: spürbar beschleunigte Einführung neuer Arbeitsweisen.

 

Post-Merger-Integration in der Finanzbranche

D: Hohe Unzufriedenheit wegen Doppelstrukturen.

V: „One Culture – One Company“ als gemeinsames Leitbild.

F: Erste gemeinsame Kundeninitiativen.

Phasenarbeit: Die grafische Darstellung half, Ängste und Verlustgefühle offen zu besprechen und Vertrauen aufzubauen.

 

Agile Umstellung in der Produktentwicklung

D: Lange Time-to-Market im Vergleich zum Wettbewerb.

V: „One Product – One Team“ mit Fokus auf Kundennutzen.

F: Einführung erster Scrum-Teams und Inspect-&-Adapt-Workshops.

Phasenarbeit: Das Modell half, Widerstände im mittleren Management zu verstehen und zu reduzieren.

Umsetzung in der Praxis

Erkenntnisse aus Studien (u. a. MIT Sloan Management Review, Harvard Business Review, Prosci) und Transformationserfahrungen zeigen folgende bewährte Vorgehensweisen:

 

Analyse und Diagnose

- Unzufriedenheit (D) mit Daten belegen (Markt, Kunden, interne KPIs).

- Vision (V) in partizipativen Workshops entwickeln, um emotionale Bindung zu erzeugen.

- Erste Schritte (F) als kurzfristige, klar messbare Initiativen gestalten.

 

Gestaltung des Übergangszustands

- Change-Story und Roadmap verbinden Vision, Schritte und Meilensteine.

- Psychologische Sicherheit und offene Dialogformate adressieren Verlustängste und Unsicherheiten.

- Change Agents und Peer-Netzwerke wirken als Multiplikatoren.

 

Führung und Kommunikation

- Führungskräfte verkörpern Vision und Prinzipien glaubwürdig.

- Mehrkanal-Kommunikation und regelmäßige Feedbackschleifen fördern Transparenz.

- Entscheidungen immer wieder an der Formel spiegeln („Ist D stark genug? Sind erste Schritte sichtbar?“).

 

Integration in andere Ansätze

- Kombinierbar mit Kotter’s 8 Steps (Sense of Urgency, Guiding Coalition).

- Einbettbar in agile Frameworks wie SAFe oder Scrum (Inspect & Adapt, PI Planning).

- Iteratives Vorgehen mit kurzen Planungs- und Reviewzyklen.

 

Monitoring und Steuerung

- Fortschritt durch Kennzahlen wie Beteiligungsquoten und Umsetzung der First Steps messen.

- Regelmäßige Standortbestimmung entlang der drei Phasen durchführen.

- Maßnahmen nachjustieren, wenn einer der Treiber D, V oder F schwächelt.

Typische Stolperfallen 

1. Dringlichkeit ohne Richtung

Nur auf Problemdruck zu setzen, erzeugt Angst, aber keine Bewegung. Ohne Vision und konkrete Schritte bleibt Unzufriedenheit wirkungslos. 

2. Abstrakte oder unrealistische Vision

Ein Zielbild, das zu weit entfernt oder wenig greifbar ist, motiviert nicht. Mitarbeitende können es nicht in konkrete Handlungen übersetzen.

3. Fehlende oder verspätete Quick Wins

Bleiben kurzfristige sichtbare Erfolge aus, sinken Glaubwürdigkeit und Veränderungsenergie – selbst bei starker Vision.

4. Übersehene emotionale Dynamik

Der Übergang löst Gefühle von Verlust und Unsicherheit aus. Werden diese nicht adressiert, entstehen Widerstand, Konflikte und Leistungseinbrüche.

5. Rückfall in alte Muster

Fehlt die nachhaltige Verankerung (z. B. in Zielsystemen oder Anreizstrukturen), kehrt die Organisation nach anfänglichen Erfolgen in den alten Zustand zurück. 

6. Ungleichgewicht von D, V und F

Sind Unzufriedenheit, Vision und erste Schritte nicht gleichzeitig stark, verpufft der Effekt. Beispiel: starke Vision ohne erste Schritte führt zu Frustration.

7. Symbolische Nutzung des Modells

Wird das Modell nur als Präsentationsfolie verwendet, ohne echte Beteiligung und Entscheidungsspielräume, entsteht Zynismus und künftige Initiativen scheitern leichter.

CALADE-Sichtweise 

Wir nutzen Beckhard’s Change Model als Brücke zwischen ökonomischer Logik und psychologischer Dynamik. In der Living Transformation® kombinieren wir die Formel D × V × F > R mit Transformation Increments und agilen Formaten wie Inspect & Adapt. Die grafische Darstellung der drei Phasen dient uns als Dialog- und Reflexionsinstrument, um Orientierung zu geben, Widerstände sichtbar zu machen und Fortschritt messbar zu gestalten.

Verwandte Begriffe

- Kotter’s 8 Steps

- Lewin’s 3-Phasen-Modell

- Living Transformation®

- Decentralized Decision-Making

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