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Glossarbeitrag

Was ist das Kotter’s 8-Step Model?

Kotter’s 8-Step Model?
Kotter’s 8-Step Model

Kotter’s 8-Step Model beschreibt eine Abfolge von Führungs- und Veränderungsschritten, die Organisationen helfen sollen, Wandel erfolgreich zu initiieren, zu beschleunigen und nachhaltig in der Kultur zu verankern. Im Unterschied zu reinen Projektplänen adressiert das Modell Leadership, Momentum und Verhaltensverankerung – vom Aufbau von Dringlichkeit bis zur kulturellen Stabilisierung. 

 

Ursprung und Zweck 

Das Modell wurde erstmals 1996 von John P. Kotter in Leading Change veröffentlicht. Es basiert auf empirischen Beobachtungen typischer Scheitermuster in Transformationsprogrammen (fehlende Dringlichkeit, zu schwache Führung, Verlust von Energie nach den ersten Erfolgen). 

2014 aktualisierte Kotter seine Sichtweise in Accelerate (auch bekannt als XLR8). Dort betont er, dass die Schritte parallel, iterativ und kontinuierlich verlaufen können, und führt das Konzept des Dual Operating System ein – ein Zusammenspiel aus klassischer Hierarchie und einem flexiblen, netzwerkartigen System. Auch der Begriff der „Freiwilligenarmee“ stammt aus dieser späteren Weiterentwicklung. 

 

Kernelemente 

- Dringlichkeit erzeugen – faktenbasiert, verständlich, nachvollziehbar. 

- Führungskoalition aufbauen – bereichsübergreifendes Team mit Mandat und Glaubwürdigkeit. 

- Strategische Vision und Initiativen entwickeln – klare Leitidee mit fokussierten Prioritäten. 

- Freiwilligenarmee mobilisieren – breite Beteiligung jenseits formaler Rollen (neuere Fassung). 

- Hindernisse aus dem Weg räumen – systemische Barrieren beseitigen (Policies, Silos, Ressourcen). 

- Kurzfristige Erfolge erzielen – messbare und sichtbare Quick Wins. 

- Beschleunigung aufrechterhalten – Momentum sichern, weitere Initiativen anschieben. 

- Veränderungen in der Kultur verankern – Routinen, Werte, Systeme und Führungserwartungen anpassen. 

Hinweis: Das Modell ist nicht als strenge Abfolge gedacht. In dynamischen Kontexten laufen Schritte überlappend und werden in Schleifen wiederholt. 

 

Anwendung und Best Practices 

- Dringlichkeit nicht dramatisieren: Daten, Kundenfeedback und Markttrends nutzen, ohne Angstnarrative zu überziehen. 

- Koalition als Arbeitsteam: Divers, handlungsfähig, mit echten Entscheidungsrechten. 

- Vision konkretisieren: In Leitsätzen und klaren Entscheidungsleitplanken operationalisieren. 

- Freiwilligkeit orchestrieren: Offene Beitrittskanäle, Communities, Anerkennung. 

- Barrieren abbauen: Prozesse, Policies, Kapazität, Tools, Rechte. 

- Short-Term Wins sichtbar machen: messbare Resultate mit erzählbarem Impact. 

- Beschleunigung strukturieren: Kadenzen, Backlogs, Engpass-Management. 

- Kulturelle Anker setzen: People-Prozesse, Rituale, Incentives. 

 

Praxisbeispiele (Illustrationen) 

Cloud-Migration (Bank): Dringlichkeit über Kosten und Regulierung; Koalition aus IT, Risk und Business; Vision „halbierte Time-to-Value“. Win: Erstes Produkt in 90 Tagen live. 

Sicherheitskultur (Produktion): Koalition mit Werksleitung; Initiativen wie Andon-Rituale; Win: 120 Tage ohne Vorfall; Verstetigung über Boni und tägliche Gemba-Walks. 

Kundenzentrierung (Telekom): Vision „First Contact Resolution“; Hindernisse: Silos, Zielkonflikte; Win: +12 pp FCR; Verstetigung durch KPIs und Coaching. 

 

Kritik und Grenzen 

- Top-down-Bias: Führungszentriert, Gefahr von Symbolpolitik ohne echte Beteiligung. 

- Linearisierungsrisiko: Oft fälschlich als Wasserfall interpretiert; Kotter selbst betont Iterationen. 

- Dringlichkeit ≠ „Burning Platform“: Überzogene Bedrohungsnarrative erzeugen Angst und Zynismus. 

- Messarchitektur unklar: Kotter verweist eher auf qualitative Signale und sichtbare Erfolge; quantitative KPI-Systeme sind nicht Bestandteil des Originals. 

- Skalierungsproblem: Ursprünglich auf Programme fokussiert, weniger auf Dauerwandel; durch Accelerate nachgebessert. 

- Kulturelle Anpassung: Global heterogene Kontexte erfordern starke Lokalisierung. 

- Sponsorenabhängigkeit: Wechsel im Top-Management kann Momentum brechen, wenn Verankerung schwach ist. 

 

Messung und Steuerung 

- Leading Indicators: Sponsor-Touchpoints, Koalitionsaktivität, Engagement in Communities, Anzahl Beseitigter Hindernisse. 

- Lagging Indicators: Qualitäts-, Kosten- und Zeitkennzahlen; Kundenergebnisse (z. B. NPS). 

- Qualitative Signale: Mitarbeiterfeedback, beobachtete Verhaltensänderungen. 

- Governance: Entscheidungszyklen, Reviews, Pivot/Stop-Kriterien. 

 

Einbettung und Kombination 

- Mit ADKAR: Kotter liefert Führung und Momentum, ADKAR adressiert Adoption auf Einzelebene. 

- Mit ACMP: Prozessgruppen durch Leadership-Energie ergänzt. 

- Mit OKR: Vision in konkrete Outcomes operationalisieren. 

- Mit Lean/Flow: Wins an Durchsatz- und Qualitätsverbesserungen koppeln. 

- Mit Living Transformation®: Kotter liefert den Führungsimpuls für Transformationszyklen; ADKAR/Flow sichern individuelle Adoption. 

- Mit Living Strategy: Kotter als Orchestrierung von Beteiligung und Momentum entlang strategischer Outcome-Ketten. 

 

CALADE-Perspektive 

Wir nutzen Kotter als Leadership-Motor: nicht als Checkliste, sondern integriert in Change-Architekturen, die Messbarkeit, Adoption und Systemhebel berücksichtigen. So verbinden wir Dringlichkeit und Wins mit diagnostischen Modellen (z. B. ADKAR) und schaffen kurze, wirksame Lernzyklen statt Symbolprojekte. 

 

Verweise auf verwandte Glossarartikel 

- ADKAR 

- ACMP Standard Methodology 

- Leading und Lagging Indicators 

- OKR 

- Change Curve 

- ADDIE-Modell 

- Timeboxing 

- Living Transformation® 

- Living Strategy 

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