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Glossarbeitrag

Was sind Dynamic Capabilities?

Dynamic Capabilities bezeichnen die Fähigkeit einer Organisation, ihre Ressourcen, Prozesse und Kompetenzen kontinuierlich zu erneuern, neu zu kombinieren und neu auszurichten, um in dynamischen Märkten wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Begriff wurde von David J. Teece, Gary Pisano und Amy Shuen (1997) geprägt und ist eine Weiterentwicklung des Resource-Based View (RBV). 

 

Ursprung und Zweck 

Während der RBV den Wettbewerbsvorteil über vorhandene, schwer imitierbare Ressourcen erklärte, stellte sich die Frage: Wie sichern Unternehmen in hochdynamischen Märkten langfristig Erfolg? 

Dynamic Capabilities geben die Antwort: nicht die Ressource selbst ist entscheidend, sondern die Fähigkeit, Ressourcen im Zeitverlauf immer wieder neu einzusetzen, zu konfigurieren und zu transformieren. Ziel ist es, Organisationen anpassungs- und innovationsfähig zu machen, ohne ihre strategische Orientierung zu verlieren. 

 

Kernelemente 

- Nach Teece (2007) bestehen Dynamic Capabilities aus drei Kernprozessen: 

- Sensing: Marktchancen, Risiken und technologische Trends frühzeitig erkennen. 

- Seizing: Chancen in konkrete Geschäftsmodelle, Produkte oder Prozesse übersetzen. 

- Transforming: Die eigene Organisation sowie Strukturen, Routinen und Ressourcenbasis kontinuierlich erneuern. 

 

Begleitende Prinzipien sind: 

- Pfadabhängigkeit – bestehende Erfahrungen und Routinen prägen zukünftige Entwicklung. 

- Asset Orchestration – gezieltes Kombinieren und Reallokieren von Ressourcen. 

- Organisationales Lernen – Experimente, Feedbackschleifen und Reflexion. 

 

Anwendung und Best Practices 

- Strategische Agilität institutionalisieren: Dynamic Capabilities entfalten ihre Wirkung nur, wenn Sensing, Seizing und Transforming als wiederholbare Routinen verankert werden. Best Practice sind Strategie- und Innovationskomitees, die Trends laufend evaluieren, sowie Quarterly Business Reviews mit flexibler Budgetreallokation. 

- Ambidextrie operationalisieren: Der Aufbau von Dual Operating Systems erlaubt die gleichzeitige Effizienz im Kerngeschäft (Exploitation) und die Entwicklung neuer Geschäftsfelder (Exploration). Netzwerkstrukturen ermöglichen Experimente ohne Beeinträchtigung der Kernprozesse. 

- M&A als Beschleuniger: Firmen wie Google oder SAP nutzen Übernahmen nicht nur für Wachstum, sondern als Lernfelder – kleine Akquisitionen helfen, kulturelle und technologische Kompatibilität zu testen. 

- Hypothesenbasierte Steuerung: Anstatt Budgets starr zu vergeben, setzen führende Organisationen auf hypothesengetriebenes Portfolio-Management. Investitionen werden regelmäßig validiert, gestoppt oder skaliert. 

- Führungskultur: Erfolgreiche Führungskräfte verankern eine Fehler- und Lernkultur. Praktiken sind etwa das öffentliche Teilen von „Leadership Learning Moments“ oder das Belohnen von Experimenten unabhängig vom Ausgang. 

 

Praxisbeispiele 

Apple: Nutzt Dynamic Capabilities, um Märkte immer wieder neu zu erschließen – vom iPod über das iPhone bis zu Services. 

IBM: Wandel in den 1990ern vom Hardwareanbieter zum Beratungs- und Serviceunternehmen. 

Netflix: Übergang von DVD-Verleih zu Streaming und Content-Produktion durch Sensing von Technologietrends und konsequentes Transforming. 

BioNTech/Pfizer: Sensing von mRNA-Technologien, Seizing durch Allianzen und Transforming globaler Lieferketten in der Covid-19-Pandemie. 

Toyota: Reaktion auf die Halbleiterkrise durch flexible Liefernetzwerke und dynamische Ressourcenplanung. 

 

Kritik und Grenzen 

- Konzeptuelle Unschärfe: Dynamic Capabilities werden oft als „catch-all“-Konzept kritisiert. Fast jede erfolgreiche Anpassung kann als Beleg interpretiert werden, was wissenschaftliche Falsifizierbarkeit erschwert. 

- Messbarkeit: Im Gegensatz zu Agilität oder Resilienz fehlen einheitliche Indikatoren, um Dynamic Capabilities direkt nachzuweisen. 

- Pfadabhängigkeit: Organisationen laufen Gefahr, alte Routinen zu reproduzieren, anstatt sich wirklich neu auszurichten. 

- Ressourcenintensität: Aufbau und Pflege erfordern erhebliche Investitionen in Scouting, Innovationsprozesse, Leadership-Entwicklung und Infrastruktur. 

- Capability Trap: Firmen können durch übermäßige Fokussierung auf Sensing- und Seizing-Prozesse in Bürokratie erstarren, was Agilität bremst. 

- Begrenzte Praktikabilität: In stabilen Märkten kann der Aufwand für Dynamic Capabilities mehr Kosten als Nutzen erzeugen. 

 

Einbettung und Kombination 

- Mit Resilienz und Antifragilität: Resilienz sichert Stabilität, Antifragilität nutzt Unsicherheit zur Stärkung, Dynamic Capabilities übersetzen dies in konkrete strategische Handlungen. 

- Mit Living Transformation®: Verbindet Transformation mit der Idee eines kontinuierlichen Prozesses, bei dem Sensing, Seizing und Transforming praktisch umgesetzt werden. 

- Mit Living Strategy: Dynamic Capabilities sind die operativen Muskeln einer lebendigen Strategie. 

 

CALADE-Perspektive 

Bei CALADE nutzen wir Dynamic Capabilities, um Organisationen dauerhaft anpassungsfähig zu machen. Wir helfen beim Aufbau von Strukturen, Prozessen und Routinen, die Sensing, Seizing und Transforming ermöglichen. In Verbindung mit Living Transformation® und Living Strategy unterstützen wir Unternehmen dabei, Veränderung nicht als Ausnahme, sondern als Wettbewerbsvorteil im Alltag zu nutzen. 

 

Verweise auf verwandte Glossarartikel 

- Organizational Resilience 

- Antifragility 

- Living Transformation® 

- Living Strategy 

- Ambidextrous Organization 

- Change Fatigue 

- Theory of Constraints (TOC) 

- Leading and Lagging Indicators 

- ADKAR-Modell 

- Change Curve 

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