Der Confidence Vote (Zutrauensabstimmung) ist ein zentrales Element des PI Plannings im Scaled Agile Framework (SAFe). Er misst das Vertrauen der Beteiligten in die Tragfähigkeit der erarbeiteten PI Objectives und in die Fähigkeit des Agile Release Trains (ART), diese umzusetzen.
Die Abstimmung erfolgt in zwei Schritten:
1. Team Confidence Vote: Jedes Team bewertet das Zutrauen in seine eigenen PI Objectives.
2. ART Confidence Vote: Alle Teilnehmenden des PI Plannings – Teams, Business Owner, Stakeholder – bewerten gemeinsam das Zutrauen in die Gesamtumsetzung des ART.
Typisch ist das Fist-of-Five-Verfahren:
- 5 Finger = volles Vertrauen,
- 1 Finger = sehr geringes Vertrauen.
Praxisbezug
Der Confidence Vote ist kein „Ja/Nein-Entscheid“, sondern ein kollektiver Alignment-Mechanismus auf zwei Ebenen:
- Team Confidence Vote: Prüft, ob Teams ihre Objectives verstanden, untereinander abgestimmt und für realistisch halten – einschließlich der handhabbaren Abhängigkeiten und Risiken.
- ART Confidence Vote: Alle Teilnehmenden bewerten gemeinsam das Zutrauen in den Gesamtplan des ART und die Realistik der PI Objectives.
Niedrige Stimmen sind ein Signal für offene Punkte und führen zu Diskussion, Klärung, ROAM von Risiken oder Anpassungen der Pläne, bevor der PI verbindlich startet.
Relevanz für Organisationen
Der Confidence Vote hat drei entscheidende Wirkungen:
- Transparenz und psychologische Sicherheit
- Jede Stimme zählt gleich. Bedenken können offen geäußert werden.
- Frühes Risikomanagement
- Niedriges Zutrauen macht ungelöste Abhängigkeiten, unrealistische Ziele oder fehlende Ressourcen sichtbar.
- Kollektives Commitment
Nach Klärung der offenen Punkte entsteht ein gemeinsames Commitment, das nachhaltiger ist als ein formaler Top-down-Go.
Praktische Beispiele
Automotive (Fahrzeugintegration): Ein Team votete mit „2“, da eine Zuliefer-Schnittstelle unklar war. Durch die Diskussion im Confidence Vote wurde ein Enabler zur Schnittstellenklärung aufgenommen. Nach einem zweiten, freiwilligen Vote stieg das Vertrauen auf „4“.
Telekommunikation (Netzmodernisierung): Mehrere Teilnehmende gaben niedrige Werte, weil eine Migration in 10 Wochen unrealistisch war. Die Arbeit wurde in zwei PIs geschnitten, mit einem klaren Zwischenziel im ersten. Danach stieg das Vertrauen deutlich.
Versicherung (Compliance-Anforderungen): Ein Team votete „1“, da regulatorische Vorgaben nicht berücksichtigt waren. Nach der Diskussion wurden Compliance-Features als hohe Priorität in die PI Objectives aufgenommen. Ergebnis: Ein Plan, der Business- und Regulierungsanforderungen vereinte.
Umsetzung in der Praxis
Wie wird der Confidence Vote durchgeführt?
- Format: Fist-of-Five (1 = kein Vertrauen, 5 = volles Vertrauen). Remote: digitale Tools (Miro, Mural, Jira Align etc.).
- Ablauf: Alle stimmen gleichzeitig ab, um Beeinflussung zu vermeiden.
- Moderation: Der RTE erklärt Ziel und Skala und stellt psychologische Sicherheit sicher.
Worauf sollte man achten?
- Niedrige Stimmen sind wertvoll, weil sie Risiken sichtbar machen.
- Immer nachfragen bei Stimmen ≤2: „Was fehlt, damit dein Vertrauen steigt?“
- Ergebnisse müssen in ROAM-Risiken, Enabler oder Plananpassungen überführt werden.
- Nach Klärung offener Punkte erfolgt häufig ein zweiter Vote, um das gestiegene Vertrauen sichtbar zu machen.
Was sollte vermieden werden?
- Abstimmung als reine Formalität („alle schnell 4 oder 5“).
- Persönliche Zuschreibung („wer hat so niedrig gestimmt?“).
- Druck durch Management („wir erwarten nur hohe Werte“).
Überinterpretation einzelner Stimmen – eine niedrige Stimme ist ein Signal, kein Veto.
CALADE-Sichtweise
Viele Unternehmen sehen den Confidence Vote als Pflichtübung. Damit verschenken sie sein Potenzial. Bei CALADE nutzen wir ihn als Reflexions- und Vertrauensinstrument:
- Wir fördern eine Kultur, in der ehrliche niedrige Stimmen erwünscht sind.
- Wir leiten Diskussionen so, dass Bedenken zu konkreten Verbesserungen führen.
- Wir verknüpfen die Ergebnisse mit ROAM-Risiken und Enablern.
So wird die Confidence Vote zu einem echten Commitment-Motor, nicht zu einem Ritual ohne Wirkung.
Weiterführende Begriffe
- PI Planning
- PI Objectives
- ROAM-Risiken
- Release Train Engineer (RTE)
- ART Planning Board
- Inspect & Adapt Workshop
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