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Glossarbeitrag

Was ist Weighted Shortest Job First (WSJF)?

Weighted Shortest Job First (WSJF) ist eine Priorisierungsmethode, die in SAFe (Scaled Agile Framework) verbreitet ist. Sie berechnet eine Priorität für Arbeitspakete basierend auf dem Cost of Delay (CoD) geteilt durch die Job-Dauer (Duration) — also dem Verhältnis von wirtschaftlichem Verlust durch Verzögerung zu benötigter Umsetzungszeit. WSJF folgt dem Lean-Prinzip, den wirtschaftlich wertvollsten Nachfolger möglichst schnell zu liefern. In SAFe wird CoD typischerweise als Summe aus Business Value, Time Criticality und Risk Reduction / Opportunity Enablement verstanden.   

 

  

Praxisbezug  

WSJF wird angewendet, um folgende Fragen zu beantworten: 

- Welche Arbeit liefert den größten wirtschaftlichen Nutzen pro Zeiteinheit und sollte deshalb zuerst bearbeitet werden? 

- Wie steuert man Wertfluss in Backlogs, Program Increments oder Portfolioplans durch objektivere Priorisierung? 

 

Algorithmus: 

CoD berechnen – Gewichtung der Einflussfaktoren (siehe oben). 

Dauer schätzen (relativ). 

WSJF = CoD / Dauer. Je höher der Wert, desto höhere Priorität. 

Ziel: Ressourcen gezielt dort einsetzen, wo sie Return on Investment (ROI) maximieren, insbesondere bei begrenzter Kapazität.   

 

 

 

Vorteile 

- Wirtschaftliche Fokussierung: Priorisiert Arbeit nach realem ökonomischen Nutzen.   

- Objektive Argumentation: Vorrangige Themen lassen sich klar begründen – verfolgt eine klare, rationale Logik.   

- Kontinuierliche Anpassung: Durch erneute Berechnung können Prioritäten flexibel an neuen Kontext angepasst werden (Flowoptimiert).   

 

  

 Kritikpunkte 

- Datengenauigkeit erforderlich: Ungenaue Schätzungen bei CoD oder Dauer verzerren Priorität erheblich.   

- Komplex und zeitaufwändig: Aufwand für Schätzung pro Item kann bei großen Backlogs überhandnehmen.   

- Verzerrung zugunsten kleiner Jobs: Große, strategische Aufgaben können systematisch hinten an stehen („Advocacy Bias“ fehlt).   

- Mathematische Trugschlüsse: „Einreden von Rationalität“ durch Zahlen, obwohl das System mit falschen Annahmen fehlerhafte Entscheidungen liefert.   

- Anwendungsebene: WSJF wird oft zu grob (z. B. auf EpicEbene) eingesetzt, anstatt auf granularer Ebene – wodurch Priorität verfälscht wird.   

 

 

Alternativen & Ergänzungen 

- RICE (Reach, Impact, Confidence, Effort) – quantifiziert Priorität mit breitem Fokus.   

- ICE (Impact, Confidence, Ease) – schnelles, einfaches Priorisierungsmodell.   

- MoSCoW – kategorisch, nützlich für initiale ScopeAbgrenzung.   

- Impact/Effort Matrix – visuell intuitiv und leicht einsetzbar.   

- Cost of Delay (CD3) – der Kern von WSJF, aber auch einzeln einsetzbar als Dreh- und Angelpunkt für Entscheidung.   

- Oft empfiehlt sich ein hybrider Ansatz: WSJF für strategische Items, vereinfachte Modelle für schnelle Backlog-Bereinigung.   

 

 

Beispiel aus der Praxis 

In einem Portfoliomeeting wurden Epics mit WSJF priorisiert: Ein kleines Feature mit hohem Business Value erhielt eine hohe Priorität, während ein großes Infrastruktur-Epic verschoben wurde. Erkenntnis: Der Prozess löste Ideen zur Zerlegung des großen Epics („Feature Slicing“) aus, um langfristig ebenfalls hohe WSJFWerte zu erreichen. → Effekt: ökonomisch fokussierte Diskussion und Impuls zur granulareren Planung.   

 

 

Anwendung durch gute Coaches 

- Vorproduktion strukturieren: Teams schulen im Schätzen von CoD-Komponenten und Dauer. 

- Metrik-Transparenz schaffen: WSJF als integraler Bestandteil von Refinement, PI Planning oder Portfolio-Reviews. 

- Bewusstsein für Verzerrung schaffen: Diskussion über vernachlässigte Strategien, bias durch Zahlen erkennen. 

- Kombinationsorientiert: WSJF ergänzen z. B. durch RICE oder Value-Effort bei Discovery-Phasen. 

- Skalierte Anwendung steuern: Wann ist Epic-WSJF sinnvoll, wann Features – und wie federn wir grobe Schätzungen ab? 

 

 

CALADE-Perspektive 

Bei CALADE nutzen wir WSJF als ökonomischen Hebel für Flow und Priorität – aber nie dogmatisch. Unsere Coaches sind in WSJF und alternativen Modellen geschult und wählen den passenden Ansatz je nach Kontext. Wichtig ist, dass WSJF als Diskussionsmultiplikator dient, nicht als Entscheidungseliminator: Zahlen fördern dialogorientierte Priorisierung, nicht endlose Diskussionen. So bleibt Pragmatismus, nicht Ideologie, Maßstab. 

 

 

Weiterführende Begriffe 

- Cost of Delay (CoD) 

- CD3 (Cost of Delay Divided by Duration) 

- RICE, ICE, MoSCoW – Priorisierungsalternativen 

- Impact/Effort Matrix 

- Feature Slicing, Granular Prioritization 

 

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